“To a parent, your child wasn’t just a person: your child was a place, a kind of Narnia a vast eternal place where the present you were living and the past you remembered and the future you longed for all existed at once.” – Celeste Ng, Little Fires everywhere
Musik – Musik werde ich mir schenken. Element of Crime. Sonne im Aperol-Glas.
Übung für Yin Yoga: Ein Wort mit in die Stunde nehmen, das mir spontan in den Sinn kommt, das mich gerade beschäftigt. Mit diesem Wort spielen, es anreichern; sehen, welche Worte, Bilder, Assoziationen sich dazugesellen wollen… Was dazu in einem aufsteigt. Zum Beispiel: “Ausgelassenheit”: Auslassen, loslassen, Gelassenheit, lassen, aus. Warum ist dieses Wort positiv assoziiert? Man verbindet Heiterkeit damit, Ungehemmtheit. Vielleicht – es muss so sein – ist sie immer beschämt worden meine Ausgelassenheit. So landen wir bei der Scham – wieder mal. Während indessen ich “Loslassen” höre. Abschied also. Womit wir beim Momentanen Thema wären. Gestern fragte ich mich (war heiter in meinem Fühlen), warum denn Abschied immer mit Tragik und Traurigkeit einhergehen muss – warum darf man ihn nicht feiern? In Dankbarkeit. Heute überwiegt Traurigkeit, Selbstmitleid. What to do? Es wird noch öfter schwanken. Abschied richtig bewusst zelebrieren – das wäre schön. Aber ist es überhaupt menschen möglich?
Ich sah unsere Beziehung (die von M. und mir) als eigenständiges Wesen (“Pirschen”): ein großer orangegelber Feuerball, hausgroß. Aber ich und er, nicht in ihm, sondern daneben, davor, jedenfalls herausgetreten. Das tröstete mich aber, beruhigte mich: Das heißt: dass diese Beziehung weiter existiert – und schon bevor wir uns (wieder)trafen existierte und dass wir wieder hineintreten könnten, wenn es für uns beide stimmig ist, in diesem Leben oder im nächsten.
Alle Briefe sind Liebesbriefe – auch der, der eine Freundschaft beendet – denn es ist Auseinandersetzung, Beschäftigung mit der Beziehung, mit dem Zwischenraum.
Malen ist das Einzige, ist sowieso das Einzige. Mit der Füllfeder in das Notizbuch schreiben. Auf das cremefarbene Papier ist das Einzige. Mein Kind umarmen ist das Einzige. Mein Kind umarmen und seinen Duft spüren ist das Einzige.
Ich war bei Maryam zum Thema Freundschaft.
Was ich sah: Ein Orangenbaum, hoch und dick der Stamm. Ich möchte die Orangen pflücken – aber sie hängen zu hoch. Ich springe und strecke mich danach, der Baum wird immer höher. Diese verzweifelte Sehnsucht hat auch etwas – hm – leidenschaftliches. Der Baum – stark und fest, die Kuppel riesig – eine Krähe fliegt darin umher zwischen den Zweigen und den Orangen, kräht meine Sehnsucht. Dann sehe ich eine Frau im weißen Kleid, weißer Schleier – ich sehe ihr Gesicht nicht, ich sehe nur Schleier (lustig, fällt mir ein: davor heute mein Impuls den weiß-transparenten-bestickten Stoff aus Indien mit ins TräumeTreffen zu nehmen, damit performativ nachzuspüren, reinzuspüren, zu tanzen – vor der Gestaltung.) Alles wird transparenter, gestaltloser, fadet aus…
Dann plötzlich bin ich wieder in meinem Körper – hier, jetzt – habe Orangen in der Hand – tanze einen wilden Tanz – eine Orange zerquetsche ich mit bloßer Hand, der Geruch, der Saft, der Geschmack – ich reibe mich ein mit ihr, genieße ihren Geschmack – orange und ultramarinblau – diese beiden kräftigen Komplementärfarben sind stark da – mit ihnen tanze ich. Tannengrün – Wald – hier möchte ich mit einer Freundin sein, einer Frau, die ich liebe. Wald ist Ruhe, Eintauchen, Tiefer Tauchen, das Unbewusste. Dann, das letzte Bild, ich hätte es gerne länger genossen: Ich bin ein Vogel, der über den Tannenwipfeln eines Waldes fliegt – der satte blaue Himmel über mir, die dichte, gerade grüne Fläche der Nadelbaumspitzen unter mir.
Was Maryam sagt: Orangen = Sinnlichkeit – sehr wichtig für mich. Von der ätherischen Frau in dem weiß-transparenten Schleier zum wilden, sinnlichen Tanz mit den Orangen – meine Seele, mein Weg, meine Entwicklung. Über den Baumwipfeln: da steh ich drüber, über den Schmerz der gerade geendeten Freundschaft.
Malen, Schreiben und Matilda – das sind meine Freunde, sagt sie – neue Freunde werden kommen. Immer, wenn man sich verändert, verliert man auch Freunde. Und, sagte das der Doderer: Erfüllung ist der Tod der Liebe? Gelebte Partnerschaft ist eine andere Art von Liebe. Eine, die sich nicht in dieser Form ausleben darf, bleibt immer bestehen…
Saftig, saftig, die Orangen. Das Runde = das Ewige. Das, das vor mir und nach mir war, das, das ich nicht verlieren kann.
Freundschaft. Wenn ich mich einsam fühle – wahrnehmen:
Dieser Moment ist mein Freund.
Dieser Moment – Matcha Latte vor mir, Zeit für mich – ist mein Freund.
Die im Kreis tanzenden Blätter draußen in der Sonne im Wind – sind meine Freunde.
Der Zufall ist mein Freund, der uns gestern die Oksana über den Weg geschickt hat und sie uns sogar noch erkannte.
Das Wohlgefühl in meinem Körper – ist mein Freund.
Das Wohlgefühl in meiner Kleidung ist mein Freund: Leinenhose, weites Baumwoll-Folklorhemd hineingesteckt, goldene Schuhe – die perfekte Ausgewogenheit zwischen männlich und weiblich macht mich glücklich, bin sehr ich, ist mein Freund.
Dass ich heute Yoga unterrichten darf und aufgeregt bin deswegen – ist mein Freund.
Die sonnige, milde Kühle draußen, die die milde Wärme eines Oktobertages schon in sich trägt – ist mein Freund.
Vorfreude ist mein Freund.
Flüssigkeit der Gefühle ist mein Freund.
Gut schlafen können hat mit Trennung zu tun. Das tut gerade weh. Die beiden schönen japanischen Mütter – Freundinnen – mit – perfekt – fast gleichaltrigen Töchtern. Ich sehe ihnen gerne zu. Schön entspannt und anmutig machen sie das. Vielleicht, weil sie auch schon älter sind. Natürlich fühl ich mich einsam, aber es geht, he, es geht – denn: Der pinke Teppich ist mein Freund, die vielen bunten Farben und Formen hier herinnen – und der Raum dazwischen. Das Schreiben ist mein Freund und das Beobachten. Somit: ist die Einsamkeit mein Freund.
Der zweite Kaffee – das Kopfweh ist immer noch da – aber mir gehts trotzdem besser. Etwas ist weicher geworden. Es ist anstrengend, Kinder ernst zu nehmen – denn sie sind existentielle Wesen. So wird man angerührt von dem, was Existentiell ist. Und das macht alt, uralt. Gestern in der U-Bahn, nachdem der nett-freakige alte Mann ausgestiegen ist, dachte ich mir: Mit ihm habe ich viel mehr gemeinsam als mit den Millenials rund um mich. Das ist vielleicht auch ein Freundes-Kriterium: Hohes (inneres) Alter. Im Sinne von: Bewusstsein und Unterscheidungsvermögen dessen, was existentiell ist. Vieles ist dann nicht mehr möglich. Ich bin Japanerin. Die kleinen Zwitscherwesen.
Schöne Momente waren das: Mit Tüdzchen dazu tanzend immer wieder Fado von Misia hören. Die Musik, die meine Gefühle gerade an die Oberfläche holt. Und: es gibt nichts Schöneres auf der Welt als ein zu Fado tanzendes Tüdzchen.
Krankheit als Weiterführung des Prozesses. Willkommenheißung. Ich bin schon in malendem Zustand. Die Worte assoziieren sich schon dazu.
Loslassen um des Loslassens Willen? Grausam, sinnentleert. Mutig muss man immer wieder sein. Aber die vielen Fädchen – Fädchen, unsichtbar zart schillernd, mit Tau bestäubt, die ich auswarf diesen Sommer, Frühling, Herbst – Frauen zu, die ich interessant fand, mit Freundinnen-Potential – nichts habe ich eingefangen. Und doch ist dieses kleine Spinnchen weiterhin voller Hoffnung, voller Offenheit, voller Sehnsucht. Ah, es macht mir Angst, das gezeichnete Spinnchen. Nothing sticks. Nothing sticks around. Where art thou?
Vielleicht ist es nicht unsere Aufgabe “gut” zu sein, sondern zu fühlen, alles zu fühlen, dadurch zu erkennen, vor allem die Verbundenheit allen Seins. Menschlich zu werden somit. Mensch. Gut ist so ein einschränkender Begriff.
Die große Spinne und die kleine Spinne. Spinnen werden mir immer sympatischer als Idee, als Wesen, was sie können, wofür sie stehen, als Symbol: Für mich sind sie etwas unendlich Zartes; Zauberwesen, wie sie ihre Fädchen wegschießen, einfangen, weben.
Die Farbe meiner milles-fleurs-Bluse – wie raffiniert sie eigentlich ist. Die Farbe des Matchas vor mir. Alle Farben hier und Muster kommunizieren miteinander, sind aufeinander bezogen. Genau: Das war meine Kunst-Diplomarbeit: Verbundenheit. Weniger als ein Wiedererstehen meines Ateliers im anderen Raum, als ein Verfrachten, Transferieren von hier nach da – geht es um ein Sichtbarmachen der unsichtbaren Fäden der Verbundenheit. As opposed to: dem schlimmsten aller Zustände: “Nüchternheit”, wie ich ihn als Jugendliche bezeichnete. Ein Zustand der Unverbundenheit, wo ein Stuhl nur ein Stuhl ist und ein Mensch ein Mensch und keine Verbindung zwischen ihnen fühlbar, nur Stockung, Hemmung. Im Gegensatz dazu (mit Hilfe von Alkohol, Musik, klärenden Gesprächen, später: Meditation) das Gefühl (Bewusstsein) der Verbundenheit: Alles ist in allem enthalten.
“We think we know the ones we love. But what we love turns out to be a poor translation, a translation we ourselves have made, from a language we barely know.” (aforementioned book)
Schreibend und mit einem Kaffee in der Hand fängt das Leben an. Schreibend setze ich mich zur Wehr gegen alles was auf mich einprasselt. Schreibend schaffe auch ich kleine Pfeile, Zacken, die penetrierend in die Welt staksen.
Die Durga-Meditation: Nur ich bin wichtig, nur mein quest, meine Forschung, mein Suchen, mein Vorgehen. Nicht, was die beiden Wappler neben mir denken. Oder irgendwelche Wappler, die glauben, wir gehören derselben Spezies an, nur, weil es äußerlich so wirken mag. Und so fange ich selbst an zu glitzern. Ihre (meine) acht Arme ruhend, schwebend hinter mir, wie ein Thron. Ein Thron, obwohl ich im Kaffeehaus sitze, ein Thron hinter mir. Meine Augen, sanft und lodernd. Ein mächtiger Strahl. Mein Körper, geschmeidig, aber ruhend. Wie der einer Löwin, der Tigerin – die auch ich bin. Im Bruchteil einer Sekunde sauge ich alles auf, was Wesentlich ist in dem Raum – die Sprache(n), das Rot der Blumen, the male entitlement, die Anmut der Frauen und ihre verbindenden Fähigkeiten. Meine Stimme: natürlich, sanft. Aber verbunden mit, wissend um die Kraft die Welten zersetzen kann. Groß, sich ausdehnend, mich ausdehnend, mein Bewusstsein. Bis zu den Sternen, die Sterne umfassend. Von dort schöpfend, wenn alles zu eng wird hier, zu klein, zu profan. Das war das Überschimpfwort für mich überhaupt. Lange Zeit. Auch die Göttin darf suchen. Für Inspiration aber steckt sie ihren Kopf in die Sterne – hoch – über den Baumwipfeln. Das “Baumwipfelbewusstsein” = gerade hoch genug, um drüberzustehen, drüberzusehen. Aber noch berührt, sinnlich berührt, das Auftauchen körperlich genießend.